Neue Kleider für die alte “Lady Acid Queen“ TB-303
Na gut, so alt war sie auch wieder nicht. Zumindest im besten Alter, so dass sie zu mir passen würde. Dieses Jahr (2017) könnte sie 29 werden - zum siebten Mal. Also maximal 35 Jahre jung, Ihre Kleidung ist mittlerweile dreckig und verschlissen. Vielleicht ist sie schon um die Welt gereist, wer weiß das schon. Jedenfalls war es nun Zeit, Ihr endlich mal ein neues Gewand zu gönnen.
Sechs Drehpotis bedeuten die Welt. Oft auch nur fünf, denn der erste, der Tune-Regler sorgte schon so manchmal für verdutzte oder gar verärgerte Gesichter, wenn ihn jemand versehentlich während einer Live-Performance betätigte, denn auf einmal spielte das Ding völlig schief zum Rest der Orchestration.
Bis 1998 (ich hoffe ich datiere es korrekt) war ich für einige Zeit schon mal im Besitz einer solchen silbernen Lady. Diese war damals wirklich noch in Bestform, sah von außen aus wie neu (bis auf die typischen Abnutzungsspuren um vier der sechs Regler herum, bei zweien davon noch etwas stärker ausgeprägt, vielleicht weiß der eine oder andere Experte, welche das wohl sind). Dazu kommt auch noch, dass diese wirklich eine ganz andere Klangcharakteristik aufwies. Sie klang dreckiger und irgendwie angezerrter.
Leider wurde diese durch zwei Stürze auf die Regler im Inneren so stark beschädigt, dass sie nur mit gelöteten Brücken wieder zumLeben erwachte. Bereits dazu gab ich sie weg. An einen meiner besten Freunde und DJ-Kollegen, der leider ein paar Jahre später tödlich verunglückte. Sie wurde von ihm auch für Produktionen im Rahmen seines Projektes „Surface Reflections“ mit einem anderen guten Freund eingesetzt, der auch das Gerät im Inneren notdürftig flicken konnte (in diesem sehr hörenswerten Track hier ist allerdings der TB-303-Clone “Braintec TB-3″ zu hören, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Gerät aus der Roland-AIRA-Serie): https://www.youtube.com/watch?v=UETvPvPEXS0
Das Exemplar, welches ich vor einiger Zeit neu käuflich erwerben durfte, sieht äußerlich wirklich sehr abgenudelt aus. Schon beim Kauf wunderte ich mich über die eigenartige Glattheit auf der Oberfläche, wo die Beschriftung zu sehen ist. Auch über die gelbbraunenStellen, die sich oberflächlich nicht entfernen ließen. Auch die merkwürdig silbrig nachlackierten Stellen um die meistbetätigten Drehregler.
Das innere ist auch schon etwas in die Jahren gekommen. Es erinnert mich irgendwie an so etwas wie ein altes Transistor-Radio ausden 80ern, dass mal runtergefallen ist und durch Auseinanderfallen des Gehäuses sein Inneres zum Besten gab. Auch die Batterien, die einem der Vorbesitzer wohl mal ausgelaufen waren, zeigen hier noch ein paar Spuren. Zudem wurde eine Modifikation eingebaut, aus der ich bis heute nicht ganz schlau geworden bin. Wird ein Schalter umgelegt, dann wird das CV/Gate-Signal merkwürdig transformiert und der interne Sequenzer beendet seinen Dienst.
Klanglich gesehen klingt dieses Exemplar, wie bereits oben angedeutet, sehr eigen: Der Klang ist eher organisch-weich und blubberig. Hören kann man genau dieses Gerät beispielsweise hier: https://soundcloud.com/user-874425254/air-force-303-refractive-condensation
Käuflich erwerben kann man dies übrigens beispielsweise hier: https://www.beatport.com/track/air-force-3-03-refractive-condensation-flying-think-tank-sessions/9174559
Von einem Bekannten ( https://www.facebook.com/citric.acid.31/ ), der sich auch schon sehr lange mit der gepflegten Acid-Musik beschäftigt, erfuhr ich vor einiger Zeit über Facebook, dass es in Leeds, England einen Anbieter gbt, der “Full Metal Jackets“ für die alten Silberkisten herstellt. Diese sind ausgestattet mit einer Deckplatte, welche auch in einer Wunschfarbe angefertigt werden kann. Natürlich musste es die Lieblingsfarbe meiner Lieblingsfarben sein: die Farbe der Unendlichkeit. Außerdem zur Wahl stand: matt oder glänzend. Glänzend musste es sein, natürlich.
Aber jetzt kommt der egentliche Clou: die Roland-identische Beschriftung kann auch mit einem anderen Wortlauf versehen werden. Wow! So etwas habe ich mir seit zwei Jahrzehnten gewünscht, eine Roland TB-303, auf der mein Künstlername eingearbeitet ist. Nach einigem Abwägen verschiedener Alternativen entschied ich mich für “accenTB-303″ an der Stelle, wo ab Werk in Osaka seinerzeit der verheißungsvolle und supertechnische Name „TB-303“ aufgetragen wurde.
Ein Manko gibt es allerdings. Das Gehäuse ist vor allem in Klaviatur-Bereich nicht ganz so hoch wie das Original-Gehäuse. Das bedeutet, dass die beiden Platinen, aus denen das Innenleben besteht, voneinander getrennt und neu mit geringerem Abstand zusammengesetzt werden müssen. Man sollte sich also schon sicher sein, ob man diesen Umbau wirklich vornehmen möchte. Zum Glück ist jedoch alles im Paket aus England enthalten, was man dazu benötigt. Fehlt dann nur noch das Fingerspitzengefühl und das
nötige Handwerkszeug.
Das bei einem solchen Umbau erzielte Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. Das Gehäuse sieht wirklich hochwertig aus und fühlt sich auch so an. Eine solche Deckplatte, vor allem individualisiert, macht mehr her als die vorherige heruntergekommene Plastik-Silberkiste. Es nimmt dem ursprünglichen Gerät seinen Spielzeug-Charakter und lässt es so wertig wirken, wie es für viele „Acid-Heads“ eigentlich sein sollte.
Jedem, der jetzt Interesse an einem solchen Projekt entwickelt hat, empfehle ich die folgende Seite zu besuchen und tiefer einzusteigen: https://www.facebook.com/vanhaydn303
Nachdem ich das Innenleben dieses Exemplares zum ersten Mal herausgenommen hatte, nutzte ich die Gelegenheit und machte das Original-Gehäuse mal richtig sauber. Dabei bestätigste sich auch mein Verdacht, dass der Lack im Original an vielen Stellen schon einmal sehr herunter war und jemand an manchen Stellen überlackiert hatte, bevor er eine neue Klebefolie im oberen Bereich überklebte, um dadurch auch die Beschriftung zu erneuern. Unter der Klebefolie war dann der Kleber vergilbt und dies alles zusammen verlieh dem Gerät einen - na ja, sagen wir mal alten und rostigen Charme, wie beispielsweise ein heruntergekommenes und lange nicht gewartetes Boot.
Nach der Komplettreinigung und Ablösung der Folie jedenfalls ist das Gehäuse an vielen Stellen beige, je nach Licheinstrahlung fast weiß.